Haushaltsrede von Dieter Hübers
Auf der letzten Ratssitzung des Jahres 2021 hält Fraktionsvorsitzender Dieter Hübers seine Rede zum Haushalt. Die Rede im Wortlaut:
Die neue Legislaturperiode ist erst ein Jahr alt und man kann es kaum glauben, was alles schon passiert ist. In früheren Zeiten hätte das gereicht, um eine ganze Legislaturperiode auszufüllen. Da stellt sich doch gleich die Frage, woran das wohl liegt? Das mögen vermehrt Sachthemen sein. Aber als Beobachter der Szene stelle ich auch fest, dass der neue Bürgermeister der Meinung ist, es werde Zeit in Bocholt aufzuräumen.
Und das geschieht in einer Art und Weise, dass sich viele Bürger, Verwaltungsangestellte und Politiker erschrocken haben. Auf Grundlagen bisher unbestätigter Verdächtigungen trifft der Bürgermeister Entscheidungen, die sowohl finanzielle Nachteile mit sich bringen als auch verdiente Menschen in Misskredit einschließlich Kündigung bringen. Das alles spielt sich in einer Geschwindigkeit ab, dass der Rat die Vorgänge nur schwer nachvollziehen kann.
Dabei bedient sich der Bürgermeister als ausgewiesener Jurist einer externen juristischen Unterstützung einer Kanzlei, bei der auch er selbst vor geraumer Zeit tätig war. Es stellt sich sowieso die Frage, warum juristische Themen nicht von unserer Rechtsabteilung bearbeitet werden. Es entstehen durch diese willkürlichen Entscheidungen Beratergebühren von mehreren 100TEuro.
Die in diesem Zusammenhang angestrengten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen werden uns davon unabhängig in naher Zukunft Auskunft geben und uns sicher noch eine Zeit lang beschäftigen. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden viele hundert Ordner bei der Ewibo beschlagnahmt. Für die Sichtung dieser Ordner sind auf Wunsch der Staatsanwaltschaft und der vom Bürgermeister angeregten Unterstützung die Mitglieder des Rechnungsprüfungsamtes, heute Revision genannt, abgestellt worden.
Offen ist hier die Frage, ob nicht für diese Freistellung der Rechnungsprüfungsausschuss gefragt, aber mindestens informiert werden musste und zwar bevor eine entsprechende Beschlussvorlage in der Ratssitzung auftaucht. Durch diese Verpflichtung bedingt sind die Mitglieder der Revision nicht mehr in der Lage, ihrer eigentlichen Verpflichtung, der Prüfung des städtischen Haushalts, nachzukommen. Für diese Aufgabe werden jetzt externe Prüfer eingesetzt.
Das alles hätte geschmeidiger verlaufen können, wenn die Politik den Bürgermeister zwischendurch mal ein wenig gebremst hätte. Aber diese Einigkeit im politischen Raum lässt nichts Gutes ahnen. Der Bürger fragt sich, wo bleibt denn die gesetzlich verankerte Kontrolle, wo ist die Opposition? Die Politik kann doch nicht alles abhaken, erst recht nicht dann, wenn eine gewisse Befangenheit nicht zu übersehen ist.
Auch die Vertrauensbasis in den Fachbereichen muss dringend verbessert werden. Hier wünsche ich mir einen offenen Umgang, ohne dass hier eine Hierarchie von König und Bauern aufgebaut wird.
Es ist schon ungewöhnlich, wenn eine Haushaltsrede mit den ungewöhnlichen Vorgängen in der Verwaltungsspitze anfängt. Aber Vertrauen und Offenheit sind wesentliche Voraussetzungen für eine gemeinsame Politik für Bocholt, für die Bürgerinnen und Bürger.
Wir müssen in unseren Haushaltsberatungen schwerpunktmäßig die Schuldenentwicklung beobachten. Dazu hat unsere neue Kämmerin, im Ältestenrat, einen gut durchdachten neuen Schuldendeckel vorgestellt. Aber auch hier gab es gleich eine Ernüchterung.
Denn am nächsten Tag der Präsentation war zu lesen, dass schon fertige Pläne für zwei Schulen, mit einem erheblichen Millionen-Volumen, in die Beratung kommen. In der Ratssitzung am 6.10.2021 wurde auf Nachfrage, ob uns in den städtischen Gymnasien weitere Überraschungen hinsichtlich der Gebäudestruktur erwarteten, von Herrn Zöhler wie folgt geantwortet: „Mängel seien vorhanden, jedoch nicht in der Art und Weise wie am Euregiogymnasium.“ In der nächsten Betriebsausschusssitzung der Gebäudewirtschaft erfährt man dann, dass 2,6 Mio. Euro in die mittelfristige Finanzplanung für die Ertüchtigung eines anderen städtischen Gymnasiums bereitgestellt werden sollen. Im Ältestenrat diskutieren wir über die bisherigen Investitionen mit gleichzeitigen Auswirkungen auf den neu angedachten Schuldendeckel und die neuen Schulden bzw. Investitionen werden nicht erwähnt, man kann auch sagen, unterschlagen.
Das ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit. So kann das doch nicht weitergehen. Hier ist in erster Linie die CDU gefragt, die mit Fraktionszwang allen Überlegungen des Bürgermeisters zustimmt. Dabei müssen unbedingt die berechtigen Wünsche und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden.
Das Thema Nordring darf sich nicht über Jahre verzögern, so wie wir das beim Industriestammgleis und der Bahnreaktivierung Richtung Rhede, Borken erleben.
Wichtig erscheint mir dabei, dass der Interessenaustausch dabei fair verläuft. Bei der Bahnreaktivierung bzw. dem alternativen Radschnellweg könnte man über einen gesicherten Faktencheck problemlos weiterkommen. Hier fehlt es in der Verwaltung an dem ernsthaften Willen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Hier könnte ein Mediator helfen. Hier hätten Sie, Herr Bürgermeister, die Verpflichtung, klärende Worte zu sprechen. Aber nicht wie bisher mit falschen Tatsachen Fakten schaffen, sondern den Beteiligten zu bestätigen, dass die Bahnstrecke nicht entwidmet ist. Als Jurist sollten Sie wissen, dass die Bezeichnung „faktisch“ keine rechtswirksame Bedeutung hat. Hier ist Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gefragt.
Bei diesem von mir beschriebenen Führungsstil kommen dann auch außergewöhnliche Haushaltspläne zu Stande. Da wird in Stenern ein zusätzlicher Standort für die Feuerwehr gebaut. Aber ein notwendiges und geplantes Feuerwehrauto wird für diesen Standort zunächst gestrichen. Was soll denn eine Feuerwehr ohne entsprechende Fahrzeuge?
Da wird ein Neubau für die Diepenbrock-Schule auf dem alten Feuerwehrgelände geplant. Das kann doch nur ein nicht durchdachter Schnellschuss sein. Haben denn die Verantwortlichen nicht an die Schulkinder gedacht, die dann täglich mehrfach den 4-spurigen Ring überqueren müssen? Und ist die vorherige Diskussion im politischen Raum zum Standort der Schule in Vergessenheit geraten? Gab es nicht schon eine Planung für den Neubau der Schule am gleichen Standort, eben weil man die Schule in der Innenstadt halten will?
An die Kämmerin Frau Schlaghecken gewandt: Sie haben uns mit Ihren Überlegungen für einen neuen Schuldendeckel überzeugt, dass Sie Ihr Handwerk verstehen. Bitte bleiben Sie ihrer Linie treu und lassen Sie sich nicht von falsch gesetzten Zielen irritieren, egal wer diese vorträgt.
In der Erwartung, dass sich nun auch – wie zugesagt – die größte Fraktion des Stadtrates offen zeigt, für eine Abkehr vom starren Festhalten am Schuldendeckel, der nötige Investitionen in den letzten Jahren trotz Niedrigzinsphase erschwert, nach hinten geschoben oder sogar verunmöglicht hat, stimmen wir dem Haushalt zu.
Den Bediensteten der Stadt Bocholt sprechen wir unseren Dank aus, für die Übernahme der schwierigen Aufgaben, die sie in der augenblicklichen Situation zu erledigen haben.