War Abstimmung gegen Stammgleis rechtens?
Am Mittwochabend hat die CDU und FDP gemeinsam mit einer 8:6-Mehrheit gegen alle anderen Parteien die Abschaffung des Stammgleises in den Industriepark Schlavenhorst beschlossen. Die Stadtpartei, die sich seit Jahren für die Reaktivierung der Strecke einsetzt, will die Vollziehung dieses Beschlusses aussetzen lassen.
„Es gibt zwei Beschlüsse aus der Vergangenheit, die bisher nicht umgesetzt wurden und somit den aktuellen Beschluss auf seine Wirksamkeit hin in Frage stellen“, sagt Fraktionsvorsitzender Dieter Hübers. Damit meint er die Beschlüsse 223/2012 vom 19.12.2012 sowie 207/2016 vom 23.11.2016. Durch den Beschluss aus dem Jahr 2012 wurde der damalige Bürgermeister Peter Nebelo damit beauftragt, dass Industriestammgleis auf den Eisenbahnverein Bocholt zu übertragen. Obwohl alle Auflagen vom Eisenbahnverein erfüllt sind, ist der Beschluss bis heute nicht umgesetzt worden.
Vier Jahre später, im Jahr 2016, hat der Rat mit 25 Ja-Stimmen gegen 20 Nein-Stimmen die Einbindung der Anschlussweiche3 (Industriestammgleis) beschlossen. Für die Stadtpartei stellt sich daher die Frage: „Kann man zwei rechtsverbindliche Ratsbeschlüsse, durch einen neuen Beschluss übergehen, ohne die alten Beschlüsse VORHER rechtsverbindlich durch den Rat aufzuheben?“ Der selbst verschuldete Zeitdruck in dieser Thematik, mit der der Bürgermeister unbedingt bereits am Mittwoch eine Entscheidung wollte, rechtfertigt „unserer Meinung nach dieses Verhalten der Verwaltung nicht“, so Dieter Hübers. Als Fraktionsvorsitzender hat er daher den CDU-Bürgermeister Thomas Kerkhoff um eine Stellungnahme in der nächsten Ratssitzung am 16. Dezember beantragt.
Wieso ist das Industriegleis so wichtig?
Seit vielen Jahren engagiert sich die Stadtpartei, und dort insbesondere Michael Nyenhuis und Antonius Mayland, für die Reaktivierung des Stammgleises in den Industriepark. Noch vor wenigen Monaten kam der von der Stadt Bocholt hinzugezogene Gutachter Peter Abelmann vom Beratungsbüro SCI Verkehr GmbH zu dem Fazit, dass Gleis solle man für wenig Geld wieder befahrbar machen. Statt der oft genannten 3 bis 5 Millionen Euro für die komplette Elektrifizierung, die übrigens mit bis zu 90 Prozent vom Bund gefördert werden würden, solle die Strecke erstmal wieder für rund 70.000€ betriebsfähig gemacht werden. Dazu kommen rund 30.000€ jährlich Betriebskosten.
Für den Erhalt sprechen gleich mehrere Aspekte: Aufgrund von Vorgaben von der Europäischen Union wird der Güterverkehr auf der Schiene in den kommenden Jahren massiv gefördert. Unternehmen, die ab dem 01.1.2021 auf LKW’s statt auf Züge setzen, müssen eine zusätzliche CO2-Abgabe entrichten. Dadurch sollen für Unternehmen Anreize geschaffen werden, statt auf LKW’s auf Züge zu setzen. Eine Option, die im Industriepark ansässige Firmen nicht mehr haben werden. „Langfristig ist dies ein klarer Standortnachteil für Bocholt und wird dafür sorgen, dass noch mehr Firmen aus Bocholt weggehen“, sagt Michael Nyenhuis. Er beteuert auch immer wieder, dass es bereits Interesse aus dem Industriegebiet an der Reaktivierung gibt.
Noch vor der Entscheidung am Mittwoch appellierte beispielsweise die Firma Pergan an die Politiker:innen, das Stammgleis wieder zu reaktivieren und bot gleichzeitig an, sich an den Kosten zu beteiligen. Bocholt ist außerdem Klimakommune. Als solche müsste sie eigentlich eine Vorreiterrolle in der Klimaschutz- und Klimaanpassungspolitik einnehmen. Während überall im ganzen Land Bahngleise ausgebaut werden, sollen sie in Bocholt abgerissen werden.
Datum: 04.12.2020 | Autor: Stadtpartei