Haushaltsrede: Ein starrer Schuldendeckel führt zu Nachlassverwaltung

Jens Terbeck sprach in seiner ersten Haushaltsrede im Dezember 2022 über die erneute Kostenverschärfung bei der Rathaussanierung. Die Rede im Wortlaut:

„Das historische Zinstief blieb für Investitionen ungenutzt. (Ich unterlasse es an dieser Stelle auf die zahlreichen Mahnungen unseres Fraktionsvorsitzenden Dieter Hübers hinzuweisen.) Stattdessen einen Schuldendeckel auf den kochenden Haushaltstopf; ein Sonderbudget für das Rathaus; eine umständlich erstellte Prioritätenliste, die unmittelbar nach der Wahl in Vergessenheit gerät.

Da ist es dann schon sehr gelegen, dass eine neue Kämmerin übernimmt, die Prioritätenliste verpuffen lässt, Ihnen dank eines Tragfähigkeitskonzepts einen Ausweg aus der Sackgasse Schuldendeckel bietet.

Als Bürgermeisterkandidat in Bocholt haben Sie, Herr Kerkhoff, im Wahlkampf, Herr Bürgermeister Kerkhoff, noch werbewirksam versprochen, die Notbremse zu ziehen, wenn die Kosten für die Rathaussanierung 50 Mio. Euro überschreiten. Wo ist denn nun die Notbremse zu mehr als 50 Mio. Euro für die Rathaussanierung?

Stattdessen wird die Rathaussanierung nach einer Kostenschärfung für 65 Mio. Euro beschlossen und Sie erklären, Sie seien als Bürgermeisterkandidat nicht so tief im Thema gewesen. Ein Bürgerentscheid zur Rathaussanierung wird im Rat von der Mehrheitspartei mit Verweis auf das Wahlergebnis abgelehnt. Wie man das bewerten will, ob als Hochmut oder Furcht vor dem Bürger ist Ihnen als Bürger überlassen.

Jetzt – nach erneuter Kostenschärfung – stehen 78 Mio. auf dem Tacho und wir nehmen weiter Fahrt auf. Aber immerhin ist es Ihnen gelungen gut 8 Mio. Euro an weiteren Fördergeldern zu gewinnen, aber auch das sind Steuergelder.

Ihnen, Frau Kämmerin Schlaghecken, Danke für das neue Schuldentragfähigkeitskonzept. Der Schuldendeckel blickte in Angststarre auf Gegenwart und Vergangenheit, mit Zuversicht und Gestaltungswillen indes blickt ihr Tragfähigkeitskonzept auf Zukunft und Gegenwart.

Wir wollen der nächsten Generation keine mehr schlecht als recht konservierte Stadt hinterlassen, sondern eine Stadt, die rockt, übergeben. Für unsere Jüngsten ist daher nicht Blues sondern Rockmusik angesagt. Nicht Notlösungen in mobilen Raumeinheiten, nebenbei bemerkt ein Euphemismus, der tief blicken lässt, sondern Kindertagesstätten, in denen es rockt. Nicht Decken, die auf einen herabfallen, sondern Horizonte, die sich öffnen. Nicht Schulgebäude unter dem Damoklesschwert der Schließung aus brandschutztechnischen Gründen – auch eine schöner Euphemismus für mangelhafte Bauunterhaltung oder schlimmer noch Pfusch am Bau – oder gar deswegen bereits ausgelagerte Schulen, sondern einen guten Lebens- und Entfaltungsraum.

Nutzen wir den Spielraum, den uns das Schuldentragfähigkeits-konzept gibt. Bauen wir für die Zukunft, denn die Jugend baut auf uns.

Oder genauer: lassen wir bauen durch einen Generalunternehmer. Es kommt schon einer Bankrotterklärung gleich, dass sich unsere eigene Gebäudewirtschaft hierzu nicht mehr in der Lage sieht. Rathaussanierung und Sanierung der Schulgebäude, alles seit unserem ersten hauptamtlichen Bürgermeister nahezu sträflich vernachlässigt, binden hier zu viele Kräfte.

Und pünktlich zum Stadtjubiläum wird dann auch noch das Stadtmuseum, ein Gemeinschaftsprojekt von hoch engagierten Bürgern und der Stadt, geschlossen – übrigens aus brandschutz-technischen Gründen. Und wo es doch gerade geschlossen ist, kann man es ja auch direkt entwurzeln. Welchen Wert wird ein Heimatverein schon auf seine Heimat legen?

Verwaltungsseitig bieten Sie hier Lösungen an, deren größter Makel wohl darin liegt, dass sie für viele Akteuere aus dem Nichts kommen. Eine Verlagerung des Stadtmuseums in die Fildekenschule wird dort vorgeschlagen und die Maria-Montessorri-Schule sei am Standort der ehemaligen Feuerwehrwache gut aufgehoben.

Beide Standorte sollten ursprünglich von der EWIBO entwickelt werden. Zur neuen Nutzung der Fildekenschule gab es im Rahmen der Quartiersentwicklung sogar einen Hochglanzprospekt, in dem der amtierende Stadtbaurat die damaligen mit den Quartiersbewohnern erarbeiteten Pläne lobt. An der Bleiche sollten eine Kindertagesstätte und Sozialwohnungen entstehen.

Derzeit ist es aber wohl mehr unsere städtische Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft die Wirtschafts- und Entwicklungshilfe braucht.

Wie dem auch sei, der Haushalt steht und bietet dank des Schuldentragfähigkeitskonzepts ein deutliches Plus an Transparenz. Auch die neu aufgestellten Controllingberichte, insbesondere das zusätzliche Investitionsmanagement sorgen für mehr Transparenz.

Positiv hervorzuheben ist auch, dass Sie, Frau Kämmerin Schlaghecken, alles daran setzen, den billanziellen Taschenspielertrick der Coronahilfen aus dem Haushalt zu bekommen. Jetzt bleibt uns nur noch als ganz bewusst auf Bocholt und die Interessen der Bocholterinnen und Bocholter konzentrierter Wählergemeinschaft Bund und Land zu bitten, das Konnexitätsprinzip einzuhalten und nach dem alten Grundsatz, dass derjenige, der die Musik bestellt, sie auch bezahlen muss, zu handeln. Unseren städtischen Haushalt also von weiteren kreativen Finanztricksereien wie beim Programm „Gute Schule 2020“ oder den eben angesprochenen Coronahilfen zu verschonen und vielleicht nicht nur die Besoldung für aktive Feuerwehrbeamte im Rettungsdienst zu erstatten, sondern auch die entsprechende Pensionsrückstellung im Kommunalhaushalt zu übernehmen.

Wir bedanken uns bei Ihnen, Herr Bürgermeister Kerkhoff, und bei Ihnen, Frau Kämmerin Schlaghecken, stellvertretend für die gesamte Verwaltung für den Haushaltsplan 2023 und werden diesem in der vorliegenden Form zustimmen.“

Datum: 19.01.2023 | Autor: Jens Terbeck

Haushaltsrede: Ein starrer Schuldendeckel führt zu Nachlassverwaltung

Jens Terbeck sprach in seiner ersten Haushaltsrede im Dezember 2022 über die erneute Kostenverschärfung bei der Rathaussanierung. Die Rede im Wortlaut:
„Das historische Zinstief blieb für Investitionen ungenutzt. (Ich unterlasse es an dieser Stelle auf die zahlreichen Mahnungen unseres Fraktionsvorsitzenden Dieter Hübers hinzuweisen.) Stattdessen einen Schuldendeckel auf den kochenden Haushaltstopf; ein Sonderbudget für das Rathaus; eine umständlich erstellte Prioritätenliste, die unmittelbar nach der Wahl in Vergessenheit gerät.

Da ist es dann schon sehr gelegen, dass eine neue Kämmerin übernimmt, die Prioritätenliste verpuffen lässt, Ihnen dank eines Tragfähigkeitskonzepts einen Ausweg aus der Sackgasse Schuldendeckel bietet.

Als Bürgermeisterkandidat in Bocholt haben Sie, Herr Kerkhoff, im Wahlkampf, Herr Bürgermeister Kerkhoff, noch werbewirksam versprochen, die Notbremse zu ziehen, wenn die Kosten für die Rathaussanierung 50 Mio. Euro überschreiten. Wo ist denn nun die Notbremse zu mehr als 50 Mio. Euro für die Rathaussanierung?

Stattdessen wird die Rathaussanierung nach einer Kostenschärfung für 65 Mio. Euro beschlossen und Sie erklären, Sie seien als Bürgermeisterkandidat nicht so tief im Thema gewesen. Ein Bürgerentscheid zur Rathaussanierung wird im Rat von der Mehrheitspartei mit Verweis auf das Wahlergebnis abgelehnt. Wie man das bewerten will, ob als Hochmut oder Furcht vor dem Bürger ist Ihnen als Bürger überlassen.

Jetzt – nach erneuter Kostenschärfung – stehen 78 Mio. auf dem Tacho und wir nehmen weiter Fahrt auf. Aber immerhin ist es Ihnen gelungen gut 8 Mio. Euro an weiteren Fördergeldern zu gewinnen, aber auch das sind Steuergelder.

Ihnen, Frau Kämmerin Schlaghecken, Danke für das neue Schuldentragfähigkeitskonzept. Der Schuldendeckel blickte in Angststarre auf Gegenwart und Vergangenheit, mit Zuversicht und Gestaltungswillen indes blickt ihr Tragfähigkeitskonzept auf Zukunft und Gegenwart.

Wir wollen der nächsten Generation keine mehr schlecht als recht konservierte Stadt hinterlassen, sondern eine Stadt, die rockt, übergeben. Für unsere Jüngsten ist daher nicht Blues sondern Rockmusik angesagt. Nicht Notlösungen in mobilen Raumeinheiten, nebenbei bemerkt ein Euphemismus, der tief blicken lässt, sondern Kindertagesstätten, in denen es rockt. Nicht Decken, die auf einen herabfallen, sondern Horizonte, die sich öffnen. Nicht Schulgebäude unter dem Damoklesschwert der Schließung aus brandschutztechnischen Gründen – auch eine schöner Euphemismus für mangelhafte Bauunterhaltung oder schlimmer noch Pfusch am Bau – oder gar deswegen bereits ausgelagerte Schulen, sondern einen guten Lebens- und Entfaltungsraum.

Nutzen wir den Spielraum, den uns das Schuldentragfähigkeits-konzept gibt. Bauen wir für die Zukunft, denn die Jugend baut auf uns.

Oder genauer: lassen wir bauen durch einen Generalunternehmer. Es kommt schon einer Bankrotterklärung gleich, dass sich unsere eigene Gebäudewirtschaft hierzu nicht mehr in der Lage sieht. Rathaussanierung und Sanierung der Schulgebäude, alles seit unserem ersten hauptamtlichen Bürgermeister nahezu sträflich vernachlässigt, binden hier zu viele Kräfte.

Und pünktlich zum Stadtjubiläum wird dann auch noch das Stadtmuseum, ein Gemeinschaftsprojekt von hoch engagierten Bürgern und der Stadt, geschlossen – übrigens aus brandschutz-technischen Gründen. Und wo es doch gerade geschlossen ist, kann man es ja auch direkt entwurzeln. Welchen Wert wird ein Heimatverein schon auf seine Heimat legen?

Verwaltungsseitig bieten Sie hier Lösungen an, deren größter Makel wohl darin liegt, dass sie für viele Akteuere aus dem Nichts kommen. Eine Verlagerung des Stadtmuseums in die Fildekenschule wird dort vorgeschlagen und die Maria-Montessorri-Schule sei am Standort der ehemaligen Feuerwehrwache gut aufgehoben.

Beide Standorte sollten ursprünglich von der EWIBO entwickelt werden. Zur neuen Nutzung der Fildekenschule gab es im Rahmen der Quartiersentwicklung sogar einen Hochglanzprospekt, in dem der amtierende Stadtbaurat die damaligen mit den Quartiersbewohnern erarbeiteten Pläne lobt. An der Bleiche sollten eine Kindertagesstätte und Sozialwohnungen entstehen.

Derzeit ist es aber wohl mehr unsere städtische Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft die Wirtschafts- und Entwicklungshilfe braucht.

Wie dem auch sei, der Haushalt steht und bietet dank des Schuldentragfähigkeitskonzepts ein deutliches Plus an Transparenz. Auch die neu aufgestellten Controllingberichte, insbesondere das zusätzliche Investitionsmanagement sorgen für mehr Transparenz.

Positiv hervorzuheben ist auch, dass Sie, Frau Kämmerin Schlaghecken, alles daran setzen, den billanziellen Taschenspielertrick der Coronahilfen aus dem Haushalt zu bekommen. Jetzt bleibt uns nur noch als ganz bewusst auf Bocholt und die Interessen der Bocholterinnen und Bocholter konzentrierter Wählergemeinschaft Bund und Land zu bitten, das Konnexitätsprinzip einzuhalten und nach dem alten Grundsatz, dass derjenige, der die Musik bestellt, sie auch bezahlen muss, zu handeln. Unseren städtischen Haushalt also von weiteren kreativen Finanztricksereien wie beim Programm „Gute Schule 2020“ oder den eben angesprochenen Coronahilfen zu verschonen und vielleicht nicht nur die Besoldung für aktive Feuerwehrbeamte im Rettungsdienst zu erstatten, sondern auch die entsprechende Pensionsrückstellung im Kommunalhaushalt zu übernehmen.

Wir bedanken uns bei Ihnen, Herr Bürgermeister Kerkhoff, und bei Ihnen, Frau Kämmerin Schlaghecken, stellvertretend für die gesamte Verwaltung für den Haushaltsplan 2023 und werden diesem in der vorliegenden Form zustimmen.“

Datum: 19.01.2023 | Autor: Jens Terbeck

Jetzt für unseren
Newsletter anmelden